AC Florenz vs Borussia Mönchengladbach – italienisches Temperament zum Anfassen

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Stadio Artemio Franchi Florenz Gladbach

Reisebericht aus dem Stadio Artemio Franchi zum Europa-League-Spiel AC Florenz vs Borussia Mönchengladbach (2:4)

“Wir müssen Ihre Ticket-Bestellung leider stornieren”, und so stand ich drei Wochen vor dem Europa-League-Spiel mit Flug und Hotel, aber ohne Ticket für das Spiel da. Aber der Reihe nach: Den Flug und das Hotel frühzeitig zu buchen, das hat super geklappt. Beim Ticketkauf sah es ganz anders aus. Gästeblockkarten gingen sowieso nur an Gladbach-Mitglieder. Deshalb bestellte ich mir über die Ticketbörse “viagogo” eine Karte für die Haupttribüne (Tribuna Coperta) für unverschämte 90 Euro – permanent aufblinkende Signale sollten vermitteln, das Spiel sei bereits kurz nach der Auslosung nahezu ausverkauft. Eine Wochen später wurde meine Buchung mit der Begründung storniert, dass “viagogo” für dieses Spiel keine Tickets an Deutsche verkaufen dürfe. Na das ist denen ja früh eingefallen. Zack, stand ich wieder ohne Ticket da und war in der Planung um zwei Wochen zurückgeworfen. Was nun? Meine Sorge, dass ich als deutscher Staatsbürger nicht auf die anderen Tribünen kommen würde, nahm mir der äußerst engagierte Kundenservice von AC Florenz. Der “Fiorentina Point” (fiorentinapoint@acffiorentina.it) antwortete auf meine vielen Fragen extrem schnell und so bekam ich zu Beginn des offiziellen Ticketverkaufs mein E-Ticket – meinem Stadionbesuch stand also nichts mehr im Wege.

Von Berlin nach Florenz mit einigen Gladbach-Fans

Am Donnerstagmorgen machte ich mich auf zum Flughafen Schönefeld in meiner Heimat Berlin. Dort sah ich schon die ersten Anhänger von Borussia Mönchengladbach. Etwa 30 grün-weiß-schwarz gekleidete Männer stiegen mit mir in den Flieger nach Bologna. Von da aus ging es für sechs Euro mit dem “Aerobus” in 20 Minuten zum Hauptbahnhof. Mit dem Schnellzug, der ungefähr zweimal stündlich von Bologna nach Florenz fährt, erreicht man Florenz in einer guten halben Stunde. Kostenpunkt liegt bei ca. 25 Euro. Eine günstigere Fahrkarte gibt es für 10 Euro, allerdings wäre man dann über 90 Minuten unterwegs.

Während der Fahrt wurde es nie langweilig. Bei ein paar Bierchen und auch der ein oder anderen Rum-Cola-Mische plauderte man nicht nur untereinander über vergangene Auswärtsfahrten, sondern kam auch in Kontakt mit den Einheimischen. In gebrochenem Englisch fragte eine Gruppe Gladbach-Fans einen alten italienischen Mann, ob es für ihn okay sei, wenn sie im Zug Alkohol trinken. Dieser bejahte und man kam in ein Gespräch, das allerdings von anhaltenden Kommunikationsproblemen geprägt war. Die Gladbacher versuchten es mit Deutsch, Englisch und Spanisch, ehe Italiener und Deutsche gemeinsam in Lachen ausbrachen, weil ein Fan seine Französischkünste offenbarte: “Voulez-vous couchez avec mois?” Nach vier Stunden Flugzeug, Bus und Zug trennten sich dann unsere Wege. Ich bin dann schnell in das gebuchte Hotel, das sich nicht weit weg vom Bahnhof und der Innenstadt befindet.

“Bist wohl ein verkappter Florentiner oder was?”

Kaum war ich raus aus dem Hotel, machte ich mich auf den Weg zum Piazza San Giovanni, dem Treffpunkt der Gladbacher, wo sich schon hunderte Gästefans einsangen. In der Hoffnung, dass ein Fanmarsch zum Stadion geplant sei, sprach ich zwei von ihnen an. Daraufhin haben sie mir unter meine graue Jacke geguckt und den ebenfalls grauen Schal angehoben. Gleichzeitig stellten sie mir die Frage, ob ich ein “verkappter Florentiner” sei. Als ich mich dann als Journalist outete, kam man in ein lockeres Gespräch und ich erfuhr, dass kein Fanmarsch der Gladbacher geplant sei, man sich aber auf genau dem Platz, wo wir standen, treffen wolle. Ein Blick über den Piazza San Giovanni reichte und der Hotspot für die Gladbacher Stimmung war ausgemacht: ein Irish Pub. Auf einem Balkon standen drei Fans mit Bier in der Hand, die “Vorsänger” würde man wohl auf ultradeutsch sagen. Gemeinsam mit den anderen vor dem Pub gröhlten sie den passenden Auswärtssong: “Wir versaufen unser Geld, in den Kneipen dieser Welt. Internationaaal, Internationaaal!” So ging das einige stundenlang, ehe sich vereinzelt Gruppen zu Fuß auf den 30-minütigen Weg zum Stadio Artemio Franchi machten.

Bier und Bratwurst statt Vino und Pasta

Die ersten Fans in lila begegneten mir nur ein paar hundert Meter entfernt vom Stadion, am Bahnhof “Campo di Marte”. Es hatte den Anschein, als würden die Heimfans allesamt mit der Bahn zum Spiel fahren. Im Stadtzentrum und auf dem Weg zum Stadion bekam ich keinen einzigen AC-Fan zu Gesicht. Am Bahnhof angekommen, trennte die Polizei die beiden Fanlager, wie es auch bei Bundesliga-Partien üblich ist. Folglich mussten die Gladbacher einen 20-minütigen Umweg nehmen. Ich hatte eine Karte für die Haupttribüne, ging aber für einen kurzen Stimmungscheck noch mit den Gästen mit – bis man nur noch mit Gästeblockkarte weiterkam. Anschließend nahm ich die italienische Fankultur ins Visier – und zumindest kulinarisch sah man hier keinen Unterschied. Bier und Bratwurst statt Vino und Pasta! Naja, wäre auch zu schön gewesen. Wirklich voll war es allerdings nicht. Der Zuschauerandrang schien nicht allzu groß gewesen zu sein, was die offizielle Zuschauerzahl später bestätigte. Das Spiel zwischen dem AC Florenz und Borussia Mönchengladbach lockte nur 24.712 Menschen in das Stadio Artemio Franchi, das mehr als 47.000 Plätze umfasst.

“Sitz! Sitz!” – Emotionen auf der Haupttribüne

Die knapp 25.000 Zuschauer sahen dann ein packendes Spiel und ließ beide Fanlager die Extreme der Gefühlswelt durchleben. Nach der Florentiner 2:0-Führung waren die italienischen Anhänger oben auf, die Gladbacher extrem enttäuscht. Lars Stindls Dreierpack stellte das Spiel auf den Kopf und änderte die Gefühlslage auf den Rängen. Speziell auf der Haupttribüne, wo Gladbacher und Florentiner nebeneinander saßen, waren die Spuren zu erkennen, die das Wechselbad der Gefühle hinterließ. Als Gladbach in Führung ging und hunderte Borussia-Fans aufsprangen um zu feiern, kam es genau dort zu Konflikten. Knapp 10 Meter von mir entfernt wurde ein Anhänger des AC Florenz handgreiflich gegenüber zwei jubelnden Gladbachern. Mit “Sitz! Sitz” wollte er sie zum Hinsetzen drängen. Umherstehende gingen dazwischen, sodass alles einigermaßen friedlich blieb. Allerdings jubelten die Jungs beim nächsten Mal nicht mehr so befreit.

Gladbacher sorgen für Europapokal-Stimmung

Abgesehen von den Handgreiflichkeiten bleibt mir auch die gute Atmosphäre im Gedächtnis. Eine Europapokalnacht, wie man sie sich wünscht: Flutlicht, mehr Gästefans als in den Auswärtsblock passen, lautstarke Gesänge und zwei hochklassige Fußballteams. Enttäuschend hingegen war die Heimkurve, stimmungstechnisch war da nicht viel wahrzunehmen. Selbst während der zwischenzeitlichen 2:0-Führung, konnte die Curva Fiesole nicht überzeugen. Nur einmal kam ein Hauch von italienischer Stimmung auf, als sich das ganze Stadion vor Spielbeginn zur Florentinischen Hymne erhob und mitsang. Ansonsten regiertend die deutschen Schlachtgesänge das Stadionrund, auch noch bis lange nach Abpfiff und die ganze Nacht in Florenz.

Auf dem Heimweg: Was sollte man über Florenz wissen?

Am nächsten Morgen ging es für mich nach einer kurzen Nacht wieder genauso zurück, wie ich gekommen war. In den Zug, dann in den Bus und wieder mit dem Flugzeug zurück nach Berlin. Im Flieger dachte ich darüber nach, was ich gern vorher gewusst hätte und mir sind vier Dinge eingefallen: Erstens verlangen Ticketbörsen nicht nur hohe Preise, sondern sind noch dazu extrem unzuverlässig. Zweitens sind die Sitzplätze im Stadio Artemio Franchi sehr knapp bemessen, weshalb es dort sehr eng ist. Es empfiehlt sich ein Platz an der Treppe. Drittens darf man an den Stadioneingängen (zumindest auf der Tribuna Coperta) mitgebrachtes Wasser in kostenlose Plastikbecher umfüllen und mit in das Stadion nehmen. Und das Wichtigste zum Schluss: Man darf auf den Rängen im Stadio Artemio Franchi Bier trinken! Prost!