China ist ein Land im Wandel. Die Volksrepublik gilt hinter den USA als zweitstärkste Wirtschaftskraft, Globalisierung und Modernisierung haben vor allem in den großen Städten des Landes Einzug gehalten. Mit 1,36 Milliarden Menschen ist China das bevölkerungsstärkste Land der Welt, demgegenüber steht eine verschwinden geringe Zahl an aktiven Fußballern: Aktuellen Schätzungen zu Folge liegt diese bei gerade einmal 10.000 Kickern. Zum Vergleich: Allein der Berliner Fußball-Verband zählt ungefähr 140.000 aktive Fußballer. In ganz Deutschland kicken von der Kreisklasse bis zur Bundesliga etwa 6,35 Millionen Männer und Frauen.
Der Sport im Allgemeinen ist den Chinesen aber keineswegs fremd. Regelmäßig zeigen chinesische Sportler bei olympischen Spielen ihre Weltklasse. Der zweite und dritte Platz im Medaillenspiegel bei Olympia 2012 und 2016 unterstreichen das. Aber trotz der großen Erfolge Chinas in den verschiedenen Einzelsportarten kommt der Fußball in China nur schwer in die Gänge.
Fußball in China ist Staatsaufgabe
Eine Tendenz, die auch dem chinesischen Präsident Xi Jinping nicht verborgen geblieben ist. Als ausgewiesener Fußballfan will Xi Jinping den Fußball in China stark fördern, das Nationalteam gar zu einer Weltmacht im Fußball aufsteigen lassen. Seine Visionen bezogen auf den Fußball die er 2011 zu Protokoll gab: China soll sich für die WM qualifizieren, in nicht allzu ferner Zukunft die WM im eigenen Land austragen und nicht zuletzt Weltmeister werden. Xi ruft also zur „Wiederbelebung des chinesischen Fußballs“ aus und verabschiedet im Zuge dessen einen 50 Punkte umfassenden Aktionsplan, der unter anderem die Gründung einer Nachwuchsfußball-Struktur und eine Umstrukturierung der Schulen vorsieht.
Insbesondere chinesische Großkonzerne sahen sich von ihrem Präsident nun in die Pflicht genommen und investierten folglich Milliardenbeträge in den chinesischen Fußball. Ein Beispiel dafür ist die Alibaba-Group, eine der weltweit größten IT-Firmengruppen aus China. Das Unternehmen kaufte sich 2014 für 141 Millionen Euro zu 50% in den amtierenden chinesischen Fußballmeister Guangzhou Evergrande ein. Mit solchen Maßnahmen steht der E-Commerce-Gigant keineswegs alleine da, zahlreiche Großunternehmer sehen beim Fußball in China plötzlich das große Geld.
Chinesische Unternehmen sind in kürzester Zeit zu den investitionsstärksten Kräften im Fußball aufgestiegen. Das war keineswegs schon immer so, denn der Fußball zählte bis dato in der Volksrepublik China nicht zu den anerkanntesten, geschweige denn häufig praktizierten Sportarten. Nur ein einziges Mal konnte sich China bis dato für die Endrunde einer Fußball-Weltmeisterschaft qualifizieren. 2002, bei der Endrunde in Japan und Südkorea, lautete die ernüchternde Bilanz nach drei Spielen: 0 Punkte. Nicht einmal ein einziges Tor sollte den Chinesen vergönnt sein. 2004 wurde die Chinese Super League, Chinas höchste Spielklasse, neu gegründet nachdem es früher wegen zahlreicher Manipulationsskandale zu Unterbrechungen im Ligabetrieb kam.
Stadien und Fankultur bei den Klubs der Chinesischen Super League
Die Fußballstadien in Chinas Super League haben im Durchschnitt ein Fassungsvermögen von 45.000 Besuchern. Das größte Stadion ist das Workers Stadium in Peking mit einer Kapazität von 64.000 Zuschauern. Es ist die Heimstätte des Pekinger Erstligisten Beijing Sinobo Guoan. Das kleinste Stadion mit einer Kapazität von 18.000 Zuschauern ist das Yuexiushan Stadium des Erstligisten Guangzhou R&F.
Der Zuschauerschnitt in China kann mit vielen europäischen Ligen allerdings locker mithalten. Im Schnitt besuchen 24.000 Zuschauer ein Spiel. Regelmäßiger Spitzenreiter mit 45.000 Fans pro Spiel kommen ins Tianhe Stadium – die Heimstätte von Guangzhou Evergrande Taobao.
Hulk und Co: Geld lockt die ersten Stars nach China
Die Finanzkraft chinesischer Unternehmen und damit auch der Clubs ist auch für den internationalen Fußball nicht unbedeutend, denn bekanntlich lockt das große Geld den ein oder anderen Fußballer nur zu gerne. Insbesondere im Wintertransfer-Fenster 2016/2017 wurde die Finanzstärke chinesischer Vereine deutlich. Für sage und schreibe 388 Millionen Euro wurden neue Spieler in Chinas höchster Spielklasse verpflichtet und damit weit mehr Geld investiert, als es mit der Premier League die vermeintlich stärkste Liga der Welt tat.
„Ganz ehrlich, auch wenn es ein bisschen böse klingt: wenn es Götze bei Dortmund nicht packt, muss er nach China gehen.“
– Lothar Matthäus
Die Brasilianer Oscar und Ramires verließen den FC Chelsea in Richtung China, auch Hulk (Zenit St. Petersburg) und Freddy Guarin (Inter Mailand) kehrten dem europäischen Spitzenfußball den Rücken und folgten dem Ruf des großen Geldes. Auch in Deutschland ist der chinesische Fußball zum Thema geworden. Zuletzt wechselten der ehemalige Leverkusen Coach Roger Schmidt in die chinesische Liga zu Beijing Guoan, wo “Quälix” Felix Magath bereits seit 2016 den Erstligaverein Shandong Luneng Taishan trainiert. Geld spielt keine Rolle, so zumindest scheint es im Bezug auf den Fußball in China zu sein. Besonders drastisch zeigte sich diese Tendenz beim Transfer des argentinischen Stürmers Carlos Tevez, der zum 01.01.2017 von den Boca Juniors zu Shanghai Greenland Shenhua wechselte, wo er übereinstimmenden Medienberichten zur Folge in zwei Jahren rund 80 Millionen Euro verdienen soll. Solche Summen sind in Europa trotz der zunehmend steigenden Transferausgaben noch undenkbar.
China: Der neue Markt für europäische Topklubs
Europäische Spitzenmannschaften wie Real Madrid oder der FC Bayern München haben das Potenzial des chinesischen Marktes längst erkannt. Die Audi-Summer-Tours, genauer gesagt die Marketing-Reisen des deutschen Rekordmeisters, sind an der Säbener Straße längst zum Alltag der Saisonvorbereitung geworden. Auch dem spanischen Fußballoberhaus ist der chinesischen Markt nicht verborgen geblieben. Real Madrid hat eine Kooperation mit der Evergrande Academy, Chinas größter Fußballakademie. Hier soll die schulische Ausbildung mit dem Schwerpunkt Fußball verbunden werden. Trainer werden ausgebildet, Grundlagen werden geschaffen. Die europäischen Spitzenclubs profitieren von Chinas sportlicher Neuausrichtung auf den Fußball. Die Zahl der aktiven Fußballer in China soll in den nächsten Jahren steigen, der Fußball soll vermehrt in den Schulalltag integriert und zum festen Bestandteil der Ausbildung werden – so das ausgerufene Ziel des Präsidenten Xi Jinping. Kooperationen gibt es längst nicht mehr nur auf Vereinsebene. Auch Verbände widmen sich zunehmend dem chinesischen Fußball. Zuletzt startete der DFB eine Kooperation mit der Asian Football Confederation. Konkret sah das Projekt Gastspiele der chinesischen U20 Nationalmannschaft gegen alle 19 Teams der Regionalliga Südwest vor.
Das umstrittene Projekt war jedoch schon beendet, bevor es so richtig starten konnte. Bereits am ersten Spieltag kam es in Mainz zu Protesten von tibetischen Aktivisten, die mit dem Hissen einer tibetischen Flagge für einen zeitweiligen Spielabbruch sorgten. Das politische Verständnis von Meinungsfreiheit und Gleichberechtigung ist in China noch stark eingeschränkt, weshalb das Projekt in beidseitigem Interesse vorzeitig beendet und zunächst bis zur Winterpause eingestellt wurde.
Wo geht die Reise hin im chinesischen Fußball?
China, als eine der auserkorenen Weltmächte, möchte diesem Ruf auch im Fußball gerecht werden. Die rasanten, insbesondere finanziell begründeten Entwicklungen der vergangenen Jahre haben den Fußball in China wieder zum Gesprächsthema gemacht. Exorbitante Transfersummen für neue Stars sollten dem chinesischen Fußball wieder Auftrieb verschaffen. Und doch ist Chinas höchste Spielklasse heute noch weit vom Niveau der europäischen Topligen entfernt. Zunehmende Kooperationen mit europäischen Teams und Verbänden sind für eine positive Entwicklung des chinesischen Fußballs sicherlich von großem Vorteil, dennoch bleibt abzuwarten, ob der Anschluss an den internationalen Spitzenfußball in den nächste Jahren für China zu schaffen ist oder ob der rasante Aufschwung der jüngsten Vergangenheit stagniert.