Uli Stein – Der Keeper mit der Steinfaust

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Ulrich „Uli“ Stein wurde am 23. Oktober 1954 in Hamburg geboren und begann seine Fußballkarriere in der Jugend des 1. FC Wunstdorf. Im Alter von 18 Jahren gab er sein Debüt im ersten Team des niedersächsischen Klubs. Nach drei Jahren als Stammtorwart des unterklassigen Vereins erweckte er das Interesse von Zweitligist Arminia Bielefeld. So nahm die Weltkarriere des Kult-Keepers ihren Lauf, heute kann Uli Stein auf zahllose Rekorde und Titel zurückblicken. Heute steht er als Spiele mit den meisten absolvierten Partien deutschen Profifußball in den Rekordbüchern, kommt auf 645 Spiele in der 1. und 2. Bundesliga. Zudem spielte er noch im Alter von 42 Jahren, 5 Monaten und 19 Tagen in der Bundesliga. Uli Stein ist damit bis heute der älteste Torhüter in Deutschlands Oberhaus eingesetzte Torhüter und nach Klaus Fichtel der älteste Profi überhaupt.

Über Umwege in die Heimat

Die Profikarriere begann im Sommer 1976, als der Hamburger ablösefrei zu Bielefeld in die 2. Liga wechselte. Er etablierte sich vom ersten Spieltag an als Nummer Eins zwischen den Pfosten und verhalf dem Klub zum Aufstieg in der Saison 1977/78. Uli Stein war der überragende Rückhalt des Teams, konnte seinen Kasten in der Aufstiegssaison dreizehnmal sauber halten. Nach einer schwachen BL-Saison folgte der direkte Wiederabstieg, woraufhin sich die Bielefelder zusammenrafften und 1979/80 den Weg zurück in die Bundesliga erkämpften. Wieder war Stein einer der Punktgaranten, mit dem Hamburger zwischen den Pfosten verlor man nur eine von 26 Partien. Ab da musste die Arminia dann auf ihren Keeper verzichten, der HSV holte den Stein ablösefrei zurück in die Hansestadt.

Uli Stein erlebt die goldene Ära des HSV

Uli Stein Hamburg Champions League Pokal

In den folgenden sieben Jahren feierte Uli Stein mit den Hamburgern die mit Abstand erfolgreichste Ära des Vereins. 1981/82 und 1982/83 holte man zum ersten und bis dato einzigen Mal in der Klubgeschichte zwei Meisterschalen hintereinander. 1982/83 krönte man die Saison zudem mit der Champions League, der prestigeträchtigen Trophäe im Vereinsfußball und dem einzigen europäischen Titel der Hanseaten. In den beiden Spielzeiten stand Uli Stein in 67 von 68 BL-Spielen zwischen den Pfosten und absolvierte alle neun Partien beim Europapokal-Triumph. Dort avancierte er zu einem der Spieler des Turniers, hielt in fünf Partien seinen Kasten sauber und verzückte ganz Europa mit seinen Paraden. Im Finale gegen Juventus Turin überflügelte er sein Idol Dino Zoff und hielt den 1:0-Sieg mit einer extrem starken Leistung fest. Nach dem frühen Führungstreffer von Felix Magath ließ Uli Stein Stars wie Michel Platini, Paolo Rossi und Zbigniew Boniek verzweifeln und wurde zum Finalhelden der Hamburger.

Vier Jahre später folgte der nächste Pokalsieg, diesmal im nationalen Rahmen. Im DFB-Pokal 1986/87 fungierte der Hamburger erneut als Rückhalt für seine Stadt, als er im Laufe des Wettbewerbs dreimal seinen Kasten sauber hielt. Im Viertel- und Halbfinale reichte seinen Vorderleuten deshalb jeweils ein erzielter Treffer, um Darmstadt und Gladbach rauszuwerfen und ins Endspiel einzuziehen. Dort triumphierte man mit 3:1 über die Stuttgarter Kickers und fügte dem Trophäenkabinett den vierten großen Titel in sechs Jahren hinzu. Auch der DFB wurde logischerweise auf den talentierten Keeper aufmerksam und lud ihn 1983 zum Debüt im Freundschaftsspiel gegen Jugoslawien ein. In den Folgejahren kam Stein allerdings nur auf sechs Einsätze, dies lag unter anderem am überragenden Konkurrenten Toni Schumacher, der den Platz zwischen den Pfosten für sich beanspruchte.

Turbulenter Karriere-Herbst

Nach sieben Saisons war das Kapitel HSV fürs Erste abgeschlossen, Uli Stein zog es nach Hessen. Bei Eintracht Frankfurt machte er sich bereits in seiner Debüt-Saison einen Namen, indem er in fast schon gewohnter Manier zum Pokalhelden wurde. 1988 hielt er im Achtelfinale, Viertelfinale und Endspiel seinen Kasten sauber, sodass in jedem der drei Spiele ein Tor zum Sieg reichte. Mit ihrem neuen Torwart beendete Frankfurt fünf von sieben Spielzeiten unter den ersten Fünf, nur in der Saison 1988/89 kam man in die Bredouille: Platz 16 bedeutete das Relegationsduell mit Saarbrücken. Doch hatten die Frankfurter mit Uli Stein im Kasten wirklich den Abstieg zu befürchten?

Im Hinspiel verschaffte er den Hessen mit seinen Paraden beim 2:0-Sieg eine exzellente Ausgangsposition. Nachdem Saarbrücken dann zuhause mit 1:0 in Führung ging und Frankfurts Innenverteidiger Dietmar Roth mit Rot vom Platz musste, sah es brenzlig aus. Doch Stein absolvierte erneut ein starkes Spiel, die 1:2-Niederlage reichte dem Team für den Klassenerhalt. Bei Eintracht Frankfurt verbrachte er erneut eine lange Zeit, die Zusammenarbeit endete dann wie in Hamburg im verflixten siebten Jahr. Der Schlussmann ließ seine Karriere noch einmal rückwärts ablaufen und wechselte für ein Jahr in die Hansestadt. Anschließend absolvierte er eine Saison bei Arminia Bielefeld. Nach vier Jahren Pause startete er ab 2000 mehrere mäßig erfolgreiche Comebacks bei den Kickers Emden, dem VfL Pinneberg und dem VfB Fichte. 2004 war dann endgültig Schluss, der Gegner im vorletzten Spiel war im Übrigen das zweite Team von Arminia Bielefeld.

WettbewerbSpieleSpiele ohne GegentoreTitel
Europapokal der Landesmeister1151
UEFA-Cup1980
1. Bundesliga5091462
2. Bundesliga133540
DFB-Pokal56142
UEFA-Supercup210
DFB-SuperCup200

„Uli raucht noch eine auf dem Klo“

So überragend Uli Stein seinen Kasten sauber hielt, so fragwürdig waren einige seiner Aktionen auf dem Platz. Seine Karriere beim DFB war beispielsweise deshalb so kurz, weil er es sich bei der WM 1986 mit Nationalcoach Hermann Neuberger verscherzte. Der Trainer warf seinen Keeper in Mexico aus dem Kader, nachdem dieser ausfallend gegenüber DFB-Kapitän Franz Beckenbauer wurde. In Anlehnung an eine unglückliche Schauspiel-Performance des Kaisers in einem Suppen-Werbespot bezeichnete Stein den Kaiser als „Suppenkasper“. Auch beim HSV bewahrte der Schlussmann oftmals nur sportlich eine weiße Weste. Im WM-Jahr 1986 sah Stein im DBF-Pokal gegen Augsburg die rote Karte. Anschließend ließ er sich von den Fans des Gegners provozieren und streckte dem Augsburger Fanblock demonstrativ den Mittelfinger entgegen.

Ein Jahr später nahm der Hamburger dann die ganze Hand, als er Bayern-Stürmer Jürgen Wegmann im DFB-Supercup einen Faustschlag verpasste. Dieser „Steinschlag“ war dann für den Rausschmiss des damals 32-jährigen verantwortlich, er wechselte anschließend zu Eintracht Frankfurt. Doch Stein hielt seinen Jahresrhythmus an Vergehen bei, am ersten Spieltag der Saison 1988/89 fiel er erneut negativ auf. Nachdem Frankfurt gegen die Bayern in Rückstand geriet, weigerte sich der Keeper der Eintracht, in seinen Kasten zurückzukehren. Nachdem ihm Schiri Wittke für diese fragwürdige Aktion die gelbe Karte zeigte, hagelte es höhnischen Applaus von Uli Stein. Das brachte das Fass für den Spielleiter zum Überlaufen, er stellte den Provokateur mit Rot vom Platz. Zwei Jahre später zog er dann den Unmut seines Trainers auf sich, als er einer Kabinenansprache fernblieb. Doch Kapitän Charly Körbel konnte Coach Jörg Berger beruhigen, der bei seiner Premiere auf der Frankfurter Bank sowieso schon nervös war. „Lass gut sein, Trainer“, sagte die Eintracht-Legende damals. „Der Uli raucht noch eine auf dem Klo. Der braucht das.“

Was macht Uli Stein heute?

Nach seiner aktiven Karriere nahm sich der Keeper erst einmal eine Auszeit, bevor er anschließend ins Fußballgeschäft zurückkehrte. Als Coach des TuS Celle FC saß er für einige Spiele auf der Trainerbank und musste sogar für eine Partie selbst zwischen die Pfosten: Als alle Schlussmänner seines Teams vor dem Spiel gegen den BV Cloppenburg verletzt ausfielen, feierte Uli Stein sein Comeback. Beim 3:0-Heimsieg hielt der Sieger des Europapokals der Landesmeister von 1982 seinen Kasten sauber.

Im März 2007 engagierte ihn Nigerias Nationalmannschaft als Torwarttrainer, passend dazu coachte Berti Vogts das afrikanische Team. Als dieser ein Jahr später seinen Posten als Cheftrainer aufgab, legte auch Uli Stein das Amt als Torwarttrainer nieder. Das Duo unterschrieb erneut in der Konstellation Chef- und Torwarttrainer bei einem Nationalteam, diesmal hieß der Arbeitgeber Aserbaidschan. Ursprünglich plante der ehemalige Torhüter, die Keeper des Landes nur bis 2009 zu coachen. Die Zusammenarbeit war allerdings so gut, dass Stein die Mannschaft bis 2014 unterstützte. Seit drei Jahren befindet sich der Hamburger im wohlverdienten Ruhestand, ist begeisterter Hobby-Golfer. Natürlich hat er auch den HSV nicht vergessen, ist nach wie vor großer Fan seines Herzensklubs. Mit schnippischen Sprüchen wie der Aussage, Pierre-Michel Lasogga hätte „bei uns früher wahrscheinlich nur das Ballnetz getragen“ zaubert er Fußballfans noch heute ein Grinsen aufs Gesicht.