Hand aufs Herz! Wer weiß spontan und wie aus der Pistole geschossen, wer am 27. Mai 2015 wo im Finale der Europa League gestanden hat? Und wie ist das Spiel eigentlich genau ausgegangen? Nun: es spielten der FC Sevilla gegen Dnipro Dnipropetrovsk
(oder wie “der Kas heißt”, so vor einigen Jahren O-Ton Kaiser Franz). Das Spiel fand in Warschau statt und endete 3:2 für Sevilla. Damit sind die Spanier mit vier Titeln alleiniger Rekordhalter der Europa League. Übertragen wurde das Spiel in Deutschland in Kabel 1 und Fans aus Sevilla und vom Dnjeper fanden mit Sicherheit, dass das eine hochspannende Angelegenheit war. Und der Rest der europäischen Fußballgemeinde fiebert dem CL Finale Juve gegen Barca entgegen.
Alles eine Frage der Perspektive
Das wäre die negative Seite der Medaille. Aber jetzt drehen wir das gute Stück einmal um: Deutschland, Hessen, Frankfurt am Main, Saison 2013/14. Die Eintracht aus Frankfurt hatte sich zum ersten Mal nach Jahren für einen europäischen Wettbewerb qualifiziert. In der Gruppenphase, in der die Eintracht mit Bordeaux, Haifa und Nikosia eher auf Sparringspartner als auf wirkliche Gegner traf, brach in der Frankfurter Fanszene der schiere Wahnsinn aus: Ausverkaufte Heimspiele verstehen sich am Main seit Jahren von selbst, aber dass Zehntausende zu Wasser, zu Lande und in der Luft zu Auswärtsspielen unterwegs waren, die “eigentlich” keine Bedeutung mehr hatten, das zeigte, wie viel den seit Jahren gebeutelten Eintracht-Fans der Weg nach Europa gab und was er ihnen Wert war. Höhepunkt war der November 2013: Ca. 15.000 Eintrachtler begaben sich ganz in Orange, bis heute wissen nur wenige Eingeweihte warum, auf eine “Wallfahrt” nach Bordeaux. Es war, als ob dort der Gral Heilige Gral des europäischen Fußballs aufbewahrt würde. Für diese Fans war die Europa League der Nabel der Welt.
Und das dürfte für die Anhänger vieler Clubs so sein. Sie haben endlich einmal die Chance, Teil einer großen Fußball Community zu sein. Zwar verbreitet die Europa League einen bescheideneren Glanz als die CL, aber sie ebnet Clubs den Weg nach Europa, die sich auf absehbare Zeit nicht oder vielleicht nie für die ganz große europäische Fußball Show qualifizieren können. Für einen echten Fan ist das eine ganze Menge.
Und was bringt das Ganze?
Ob sich die Europa League für die Vereine lohnt, das heißt sich unterm Strich rechnet, auch das ist eine Frage der Perspektive. Kurzfristig kommt erst einmal Geld in die Kassen. Wenn Verein die Gruppenphase überstehen und vielleicht bis ins Viertelfinale vorstoßen, dann ist das auch Wink für künftige Sponsoren. Allerdings nur dann, wenn auch national die Leistung weiter stimmt, sprich die Mehrfachbelastung, Europa League, nationale Meisterschaft und eventuell noch Pokal bewältigt wird. Für eine Mannschaft wie Borussia Mönchengladbach war das der Weg zurück in die europäische Königsklasse, während für die Eintracht der Schuss eher nach hinten los ging.
Die Mannschaft spielte eine ganz schwache Rückrunde und entging in der nächsten Saison nur mit “Ach und Veh” dem Abstieg. Trotzdem dürfte es unter den Eintracht -Fans kaum einen geben, ein paar beinharte Realisten ausgenommen, der den Ausflug nach Europa bedauert. Für die Fans vieler Vereine ist die Europa League die Beschwörung einer großen Vergangenheit und die Verheißung einer glänzenden Zukunft. Das kann für einen Verein mehr wert sein als die solideste Bilanz: Der Fußball hat Gott sei Dank immer noch seine irrationalen Seiten.
PS: Europa League – Fluch oder Segen? Diese Frage wird sich in der nächsten Saison auch für den FC Augsburg stellen. Drücken wir also den “Eurofightern” vom Lech a einfach einmal die Daumen.